Exkurs: Fördert COVID-19 Thrombosen und Lungenembolien?
Schwer kranke COVID-19-Patienten entwickeln häufiger Blutgerinnsel, beobachten Mediziner. Dadurch können wichtige Blutgefäße, etwa in der Lunge, verstopfen. Was bedeutet das für Patienten? Wir haben mit dem Thrombose-Experten Dr. med. Frank Misselwitz darüber gesprochen.
Lungenembolie und Symptome
Von einer Thrombose oder einem Thrombus hat wahrscheinlich jeder schon einmal gehört. Diese Bezeichnungen aus der Medizin haben ihren Ursprung im altgriechischen Wort thrómbos (Klumpen oder Pfropf). Mit Thrombose wird der Verschluss eines Blutgefäßes durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) beschrieben. Besonders häufig sind die tiefen Bein- und Beckenvenen betroffen. Eine Folgeerkrankung dieser Tiefen Venen-Thrombose ist die Lungenembolie.
Bei einer Lungenembolie kommt es zu einem teilweisen oder vollständigen Verschluss einer Lungenarterie durch einen Fremdkörper. Gelegentlich wird die Lungenembolie durch Substanzen wie Fett von einem gebrochenen Knochen, Tumorgewebe oder Luftblasen verursacht. Zumeist wird sie jedoch durch einen Thrombus ausgelöst. In der Regel stammt das Blutgerinnsel aus der Region der Bein- oder Beckenvenen, wo es sich losreißen kann und mit dem Blutstrom in die Lungenarterie gelangt. In diesem Fall bezeichnet man das Blutgerinnsel als „Embolus“.
In der Lunge kann das Gerinnsel ein Gefäß verschließen. Die direkte Folge ist ein Blutrückstau bis zum Herzen. Symptome sind dann häufig akute Atemnot und ein beschleunigter Puls. Die Symptome sind abhängig vom Ausmaß der Embolie. Ist nur ein sehr kleiner Ast der Lungenarterie betroffen, kann die Lungenembolie auch klinisch stumm verlaufen, d. h. der Patient hat keinerlei Krankheitszeichen. Ein anhaltender Verschluss eines Hauptstammes der Lungenarterien kann lebensgefährlich sein.
Häufigkeit und Vorkommen von Lungenembolie
Die Lungenembolie ist in aller Regel die Folge einer anderen, vorausgehenden Erkrankung. In den meisten Fällen lässt sich bei den betroffenen Personen eine sogenannte Tiefe Venen-Thrombose, kurz TVT, nachweisen. Hervorgerufen wird diese Thrombose durch Blutgerinnsel in den tiefer gelegenen Venen der Oberschenkel und des Beckens. Lösen sich Teile des Gerinnsels oder das ganze Gerinnsel ab und werden über die Blutbahn in die Lunge eingeschwemmt, können sie kleinere und größere Lungenarterien zum Teil oder vollständig verschließen. Ein kleiner Verschluss kann unbemerkt und folgenlos bleiben oder ein Zufallsbefund einer CT-Untersuchung sein. In diesem Fall lösen körpereigene Mechanismen das verstopfende Gerinnsel wieder auf. In einigen Fällen ziehen Lungenembolien jedoch schwerwiegende Folgen wie Herzversagen nach sich und können sogar lebensbedrohlich werden.
Exakte Angaben zur Inzidenz der Lungenembolie in Deutschland fehlen. Das liegt daran, dass viele Embolien stumm verlaufen bzw. die Erkennung einer Lungenembolie durch die unspezifischen Symptome erschwert wird. Lungenembolien sind die dritthäufigste Todesursache im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen – nach Herzinfarkt und Schlaganfall. Schätzungen zufolge sterben allein in Deutschland jährlich etwa 40.000 Menschen an den Folgen einer Lungenembolie.
Grundsätzlich ist das Ausmaß der Folgen einer Lungenembolie abhängig von ihrem Schweregrad, der Größe des Blutgerinnsels sowie des individuellen Gesundheitszustands des Patienten. Durch eine Behandlung mit Sauerstoff, Schmerzmitteln und sogenannten Gerinnungshemmern können Langzeitfolgen in den meistens Fällen verhindert werden. Deshalb ist bei Verdacht auf eine Lungenembolie eine frühzeitige Untersuchung und Diagnose durch einen Arzt essenziell, um gegebenenfalls rasch mit einer geeigneten Behandlung beginnen zu können.
Unser Gerinnungssystem
Das Gerinnungssystem ist ein lebenswichtiger Schutzmechanismus unseres Körpers. Es verhindert zum Beispiel, dass wir nach einer Verletzung verbluten. Bei an sich gesunden Personen wird nach Verletzungen das Gerinnungssystem sehr schnell aktiviert, um die offene Wunde zu verschließen.
Entstehung einer Lungenembolie
Die Entwicklung einer Thrombose hängt meist von verschiedenen Faktoren ab. Einer dieser Faktoren ist die gestörte Blutströmung. Der Blutstrom, der über die Beinvenen zurück zum Herzen fließt, wird durch die Venenklappen und die Muskelpumpe gewährleistet.
Risikofaktoren und Folgen
Der Berliner Pathologe Rudolf Virchow hatte schon vor 150 Jahren drei Bedingungen identifiziert, die eine Thrombosebildung fördern. Diese haben heute immer noch ihre Gültigkeit:
- gestörte Blutströmung (z. B. durch ruhig stellende Verbände oder Bettlägerigkeit)
- Gefäßwandschäden (z. B. durch Operationen)
- erhöhte Gerinnungsneigung (z. B. Vermehrung von Blutgerinnungsfaktoren, bestimmte Medikamente)
Thrombose-Patienten weisen in der Regel mehrere Risikofaktoren in Kombination auf. Verschiedene wissenschaftliche Studien in jüngerer Zeit haben dazu beigetragen, diese Faktoren genauer zu identifizieren. Anerkannte Risikofaktoren:
- Operation, Trauma oder stationäre Behandlung
- Krebserkrankungen
- Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems
- Bluterkrankungen, die mit der unkontrollierten Vermehrung von Blutzellen einhergehen
- Einnahme bestimmter Medikamente: Hormone (z. B. Antibabypille, Hormonersatztherapie in den Wechseljahren), Krebsmedikamente
- eine vorausgegangene Thrombose oder Lungenembolie
- höheres Lebensalter (> 60 Jahre)
- Rauchen
- krankhaftes Übergewicht (Adipositas)
- schweres Krampfaderleiden (Varikose)
Darüber hinaus können bestimmte angeborene Gerinnungsstörungen das Thromboserisiko erhöhen.
Folgen einer Lungenembolie
Die Größe des Blutgerinnsels und der persönliche Gesundheitszustand des Patienten spielen eine wichtige Rolle für den weiteren Verlauf einer Lungenembolie. Wenn das Blutgerinnsel sich nicht ganz auflöst, kann die Erkrankung in ein chronisches Stadium übergehen. So entwickelt sich eine sogenannte chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie. Dies ist ein Anstieg des Blutdrucks im Lungenkreislauf, der zur Herzinsuffizienz führen kann.
Da die pulmonale Hypertonie (Lungenhochdruck) sich als Folge der Lungenembolie entwickelt, können die Symptome der Embolie diejenigen des Lungenhochdrucks überdecken. Die Beschwerden der pulmonalen Hypertonie treten im fortgeschrittenen Stadium auf und die Krankheit zeichnet sich u. a. durch Herzrhythmusstörungen, Brustschmerzen und Atemnot aus. Später kommt es zu Kreislaufproblemen, wie z. B. Ohnmachtsanfällen oder Schwindel.
Beschwerden, die mit dem Herzen oder mit dem Blutdruck auftreten, sollten mit dem Arzt besprochen werden.
Diagnose und Therapie
Da die Lungenembolie eine lebensgefährliche Komplikation der Thrombose ist, die schwere gesundheitliche Folgen haben kann, ist es sehr wichtig, sie frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Lungenembolie erkennen
Die Symptome einer Lungenembolie sind unspezifisch und daher oft nicht eindeutig zu erkennen. Patienten äußern jedoch häufig Beschwerden wie Atemnot, Schmerzen im Brustkorb, Synkope (Ohnmacht), Fieber, Husten und/oder blutigen Auswurf. Die Symptome sind meistens abhängig von der Größe des Gerinnsels (Embolus) und vom persönlichen Gesundheitszustand.
Medikamentöse Therapie
Zur akuten Auflösung des Thrombus erhalten einige Patienten eine sogenannte Lyse-Therapie. Eine weitere wichtige Maßnahme der Lungenembolie-Behandlung besteht in einer Hemmung der Blutgerinnung (Antikoagulation) durch Gabe von Medikamenten zur Blutverdünnung (Antikoagulanzien). Diese sollen das Fortschreiten der Thrombose und ihre Folgen vermeiden. Die Therapie wird über einen Zeitraum von mehreren Monaten weitergeführt, um das erneute Auftreten von Thrombosen zu verhindern.